Abschlagszahlungen: Auch beim VOB/B-Vertrag kann ein Auftragnehmer 80 % des Nachtragsangebotes verlangen

Das BGB enthält seit 2018 eine Regelung, wonach ein Bauauftragnehmer bei Anordnungen des Auftraggebers eine Abschlagszahlung in Höhe von 80 % des Nachtragsangebotes verlangen kann, wenn sich die Parteien nicht über die Höhe eines Nachtrages geeinigt haben und auch keine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergangen ist (§ 650c Abs. 3 S. 1 BGB).

Nach wie vor wird in der Baupraxis häufig die Geltung der VOB/B vereinbart (bei öffentlichen Bauaufträgen immer, im Privatbereich überwiegend). Bisher ging man davon aus, dass dann die neue 80%-Regelung des BGB nicht greift. Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 02.11.2021 – 27 U 120/21) hatte nun in einem Fall darüber zu entscheiden, ob diese Vorschrift auch bei Verträgen Anwendung findet, in denen die VOB/B als Ganzes vereinbart ist. Denn die VOB/B enthält bereits eine Regelung zu Abschlagszahlungen (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/B). Diese enthält jedoch keine dem BGB vergleichbare „80%-Regelung“.  

Sachverhalt

Ein Auftragnehmer wurde mit Abbrucharbeiten beauftragt, wobei die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbarten. Das Leistungsverzeichnis enthielt unter anderem die Position:“ Aufbau, Reinigen und Abbauen der Personendekontaminationseinheit“. Der Auftragnehmer erstellte ein Nachtragsangebot, in welchem er Kosten für das Vorhalten dieser Einheiten für die Dauer der Baumaßnahmen forderte. Der Auftraggeber lehnte ab, da er der Meinung war, dies eine Nebenleistung sei und er hierfür keine weitere Vergütung schulde. Daraufhin stellte der Auftragnehmer eine Abschlagsrechnung, in welcher er 80 % des zuvor übermittelten Nachtragsangebotes abrechnete. Auch hierauf zahlte der Auftraggeber nicht. Der Auftragnehmer erhob daher Klage.

Entscheidung

Das Gericht gab dem Auftragnehmer grundsätzlich Recht! Die „80%-Regelung“ des BGB sei auch auf den hier vorliegenden VOB/B-Vertrag anwendbar. Laut dem BGB gelte die Regelung immer dann, wenn die Parteien eine Abschlagszahlung vereinbarten. Das sei hier der Fall. Die Parteien hätten sich auf die Geltung der VOB/B verständigt, die Abschlagszahlungen grundsätzlich regele. Hierdurch wiederum sei eine Abschlagszahlung auch im Sinne des BGB vereinbart worden. Nach Auffassung des Gerichts sei es Zweck der „80%-Regelung“, dem vorleistungspflichtigen Unternehmer schnell Liquidität zu verschaffen. Allerdings gelte dies mit folgender Einschränkung: Wenn das Angebot stark überhöht sei, könne es im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Auftragnehmer das Angebot für die Abschlagszahlung heranziehe.

Das Gericht stellte allerdings klar, dass der Auftragnehmer nur die Abschlagszahlungen verlangen könne, für die er einen zusätzlichen Vergütungsanspruch zuvor angekündigt habe (§ 2 Abs. 6 VOB/B).

Praxistipp

Die Entscheidung ist „revolutionär“, aber durchaus rechtlich diskussionswürdig. Das Gericht wendet die Regelung des BGB hier vorrangig an, obwohl die VOB/B eine abweichende Regelung zu Abschlagszahlungen enthält. Das KG befasst sich aber nicht mit dem Problem, dass der Wortlaut des § 650c BGB sich nicht auf alle Nachträge und damit nicht auf alle Abschlagsforderungen erstreckt, sondern nur auf Anordnungen gem. § 650b BGB.    

Der Beitrag ist zuerst erschienen in Ausgabe 153 des ImmobilienReport Metropolregion Rhein-Neckar.